Das neugegründete Hessische Landesamt für Gesundheit und Pflege hat ein Überwachungssystem für akute Atemwegsinfektionen ins Leben gerufen. Die Sentinel-Überwachung akuter respiratorischer Erkrankungen („ARE-Surveillance“) erfasst die Daten einer möglichst repräsentativen Stichprobe aus der ambulanten Versorgung. Das System ist Mitte September 2023 mit elf Praxen der medizinischen Grundversorgung gestartet worden, weitere haben bereits ihr Interesse angemeldet. In der ersten Phase können bis zu 25 Praxen teilnehmen. Bis Ende des Jahres wird evaluiert, ob die Zahl der teilnehmenden Praxen weiter erhöht wird.
Ziel der ARE-Surveillance ist es, ein flächendeckendes Gesamtbild von Hessen darzustellen und die in den Praxen festgestellten Infektionszahlen mithilfe eines Rechenmodells auf das gesamte Bundesland hochzurechnen, um Aussagen über das Infektionsgeschehen in Hessen zu ermöglichen. Die für den Start ausgesuchten Praxen sind nach epidemiologischen Gesichtspunkten (z.B. Bevölkerungsdichte, Standorte) netzartig über Hessen verteilt.
Der hessische Minister für Soziales und Integration, Kai Klose, erklärte: „Schon jetzt ist ein Anstieg der Atemwegs- und Erkältungskrankheiten zu verzeichnen, der in den kommenden Wochen mit Beginn des Herbsts erfahrungsgemäß weiter zunehmen wird. Die neu etablierte Surveillance liefert einen hessenweiten Überblick über die jeweils aktuell zirkulierenden Krankheitserreger und ist zugleich ein Frühwarnsystem, das uns im Falle von Entwicklungen, die auch für Praxen und Krankenhäuser problematisch werden könnten, informiert.“
„Mit Auslaufen der Corona-Maßnahmen ist in den meisten Bereichen unseres Lebens wieder Normalität eingetreten. Das Virus ist jedoch nicht verschwunden. Das Infektionsgeschehen von SARS-CoV-2 muss auch in der endemischen Phase begleitet werden. Wichtig ist zudem, einen Überblick über die anderen wesentlichen Erreger zu erhalten, die im Konzert der jährlichen Erkältungsviren mitspielen. Ab diesem Herbst werden in Hessen also neue Wege der Datenerhebung geschaffen, um akute respiratorische Erkrankungen zu erfassen“, betonte HLfGP-Vizepräsident Christof Diefenbach. Die letzten Jahre hätten deutlich gezeigt, wie wichtig die infektionsepidemiologischen Beurteilungen von Daten für das Ergreifen von Maßnahmen in der Epidemie- und Pandemiebekämpfung seien.
Sowohl die hessischen Gesundheitsämter als auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen waren aktiv an der Praxisfindung beteiligt. „Eine Lehre aus der Pandemie ist, dass wir uns intensiver mit Indikatoren beschäftigen müssen, die uns frühzeitiger Aufschlüsse über entstehende Infektionen und Infektionswellen geben können. Gerade Atemwegserkrankungen spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle und deshalb unterstützen wir die Surveillance“, sagten Frank Dastych und Armin Beck, die Vorstandsvorsitzenden der KV Hessen.
Im Rahmen des Überwachungssystems wird die Häufigkeit von gemeinsam auftretenden, charakteristischen Erkältungssymptomen (syndromische Surveillance) sowie deren Ursachen (virologische Surveillance) betrachtet. Konkret heißt das, dass von den teilnehmenden Allgemein- und Kinderarztpraxen wöchentlich zehn Abstriche von Patient*innen, zusammen mit den erfassten Symptomen, an das Labor des Hessischen Landesamtes für Gesundheit und Pflege gesendet werden. Dort werden die Proben per Multiplex-PCR analysiert. Das Material zur Probenentnahme (Abstrichkits, Probenbegleitunterlagen und das erforderliche Verpackungs- und Versandmaterial) stellt das HLfGP den teilnehmenden Praxen zur Verfügung. „Wir haben das System so gestaltet, dass der Aufwand für die Arztpraxen so gering wie möglich ist. Zudem werden die Proben vergütet“, erklärte HLfGP-Vizepräsident Diefenbach. Ein Zusatznutzen für die einsendenden Ärzt*innen entsteht durch die kurzfristige Rückspiegelung der Ergebnisse, die auch therapeutisch genutzt werden können, beispielsweise bei der Frage, ob die Gabe eines Antibiotikums notwendig ist oder nicht.
Mit dieser Methode wird nicht nur SARS-CoV2 erfasst, sondern es werden auch Erreger wie Influenzaviren (Grippe) und das respiratorische-Synzytial-Virus (RSV) sowie andere typische Atemwegserreger wie Metapneumo-, Parainfluenza-, Entero-, Rhino-, Adeno-, Bocaparvo- und saisonale Coronaviren betrachtet. „Diese sind die Hauptauslöser für die jährlichen Erkältungswellen“, so HLfGP-Vizepräsident Diefenbach. Zusammen mit der Erhebung der Symptome zeichne sich ein repräsentatives Bild über die aktuell zirkulierenden Viren und ihrer Symptomatik in der Bevölkerung in Hessen, das zur Entwicklung und Optimierung von Präventionsstrategien beitragen kann.
Die Daten werden in wöchentlichen Berichten dargestellt und über den Epikurier des HLfGP ( https://hlfgp.hessen.de/gesundheitsschutz-gesundheitsdaten/gesundheitsdatenÖffnet sich in einem neuen Fenster) publiziert. Das hessische System komplementiert außerdem die bundesweite ARE-Überwachung des Robert Koch-Instituts ( https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/ARE_Tab.htmlÖffnet sich in einem neuen Fenster).
Hessische Arztpraxen, die sich für eine künftige Teilnahme interessieren, können sich per E-Mail an das HLfGP wenden: are-surv@hlfgp.hessen.de